Blumenkohl

Neulich im Supermarkt habe ich wieder den Tick mit dem Starren. Ich schiebe meinen Einkaufswagen ein Stück, bleibe dann irgendwo stehen und starre vor mich hin. Und wie ich da so stehe und starre fällt mir dieser Typ auf. Er hat keinen Einkaufswagen, keinen Rucksack und keinen Beutel dabei, und er hat auch keinen Karton in dem er seine Einkäufe sammelt. Sein T-Shirt ist versifft und seine fettigen Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.. Ich bemerke ihn als er vor dem Dosenregal steht und eine Büchse Bohnen anschaut. Dann wechselt er zum Gemüsegang, schaut sich Bananen an, nimmt sie in die Hand, legt sie wieder weg. Dann geht er weiter zu den Weintrauben, nimmt verschiedene Reben und hält sie hoch in die Luft und legt sie wieder weg. Ich überlege, ob ich ihn ansprechen soll. Ich könnte ihm zeigen wo der Schnaps steht. Oder ich könnte ihn fragen ob er etwas bestimmtes sucht. Oder ich könnte ihm ein Fertiggericht empfehlen. Oder ich könnte einen Angestellten des Supermarktes auf den Typen aufmerksam machen, denn solche Typen haben in der Regel Hausverbot. Er geht weiter zum Blumenkohl. Eigentlich verhält er sich ja ganz normal. Ich habe auch schon Omas beobachtet die es ganz ähnlich machen. Allerdings haben die einen Einkaufswagen in dem sie ein oder zwei Sachen durch die Gänge schieben. Blumenkohl findet er besonders interessant. Er nimmt erst mehrere in die Hand, zieht die Blätter auseinander um die Größe besser abschätzen zu können, hebt dann die obere Kiste beiseite und schaut sich den Blumenkohl in der darunter liegenden Kiste an. Anders mache ich es mit Erdbeeren auch nicht, denke ich. Er nimmt einen Blumenkohl, geht ein paar Schritte damit, und ich denke schon er hat sich tatsächlich für einen entschieden. Aber er bleibt stehen, schaut ihn sich noch mal an und tut so als würde er ihn unters Licht halten, was bei den Neonrören natürlich Unsinn ist. Er geht zurück und legt ihn wieder in die Kiste. Dann schaut er sich Würstchen an, dann Käse, dann Zwiebeln, dann eine Gieskanne aus Plexiglas und dann setze ich meinen Einkauf fort und verliere ihn aus den Augen. Während ich an der Kasse stehe halte ich nach ihm Ausschau. Aber ich sehe ihn nicht mehr. Vermutlich hat ihn ein Angestellter erkannt und rausgeworfen. Ich stelle mir vor das er sich doch noch für einen Blumenkohl entschieden hat. Er stellt sich an der Kasse an, kauft heute mal keinen Schnaps, nur den Blumenkohl, geht damit nach Hause, hält ihn beim Laufen mit beiden Händen vor sich und ist ein wenig stolz wenn ihn die Leute anschauen. In seiner Bude schiebt er ein paar Flaschen beiseite und legt den Blumenkohl auf seinen Tisch, macht den Fernseher an und Blickt ab und zu auf seinen Blumenkohl. Er überlegt wie er ihn kochen könnte. Man macht die Blätter ab und legt ihn in einen Topf mit Wasser und kocht ihn bis er weich ist. Aber er hat eigentlich gar keinen Appetit. Er sollte Schnaps kaufen, denkt er vielleicht. Immer wenn er Lust auf Schnaps hat schaut er rüber auf den Tisch. Er denkt daran wie er seine Küche putzten würde, den ganzen Müll in einen Beutel stopft und im Innenhof in die Restmülltonne wirft. Er könnte noch Fleisch, Salat und Apfelsaft kaufen und ein ganz normales und ordentliches Leben beginnen. Er könnte sich das Rauchen abgewöhnen und sich eine Frau suchen. Er könnte seine Tochter anrufen und sie um Verzeihung bitten. Irgendwann wird er das Fenster öffnen, den Blumenkohl in den Innenhof werfen, zum Spätkauf gehen und Schnaps und Zigaretten kaufen. Dann stellt den Schnaps auf die freigewordene Stelle, raucht und denkt vielleicht an seine Tochter. Ich zahle, packe meine Einkäufe in meinen Beutel, laufe nach Hause, räume Wurst, Käse und Saft in den Kühlschrank, schalte das Radio ein und setze mich in meinen Sessel. Auf meinem Tisch steht ein vergammelter Strauss Blumen. Alles wie immer, denke ich, und lege meine Beine auf den Hocker.